#5 Wortivation: Wann ist man eigentlich „kompetitiv“?

Letztens bei Sport

Sport ist für mich ein zentraler Bestandteil meines Tages. Es ist aus meiner Sicht nicht nur gesund jeden Tag Sport zu machen, sondern auch nötig, um einen Ausgleich zu meinem kopflastigen Beruf zu schaffen.

Dabei ist nicht nur mir, sondern auch meinen Freunden eines besonders aufgefallen: Ich suche aktiv den Wettbewerb. Sei es draußen beim Laufen, wenn ich nicht überholt werden will. Beim Gewichtheben, wenn ich schaue, wer am meisten drückt oder hebt. Oder bei selbstauferlegten Challenges, die andere schon absolviert haben – von denen ich glaube, dass ich sie auch schaffe.

Wenn ich Sport mache, suche ich aktiv den Wettkampf und die Person, die ihn mit mir aufnehmen will. Und wie bei jedem Wettkampf gilt:

Manchmal gewinnt man und manchmal –

„Verliert man“? Ist das so? Verlieren wir, wenn wir nicht gewinnen? Dieser Satz, der uns so oft eingeprägt wurde, wird nachher noch wichtig.

Denn wenn ich nicht „gewinne“, jemand anderes also besser ist, nehme ich es nie als Verlieren wahr. Für mich ist es etwas anderes. Und aus den Gesprächen mit meinen Sport-Freunden weiß ich, dass sie gleich empfinden. Und klar, es gibt Leute die Verlieren sehr stark wahrnehmen und sich darin verlieren. Lass uns den Gedanken aber erst einmal hinten anstellen.

Was fühlen wir Sportsleute anderes, wenn wir nicht gewinnen? Warum ist es kein Verlieren, wenn wir nicht gewinnen? Nennen wir das Gefühl übergangsweise „Sportsgeist“ und bevor ich den Satz vervollständige, lasst uns einmal den Kontext definieren.

Reframing: Definition Kompetitivität

Unser alltägliches Missverständnis

Wenn wir im Alltag über Kompetitivität sprechen, meinen wir in der Regel einen Wettbewerbszustand. Ein Wettbewerbszustand ist eine Situation, in der Personen oder Gruppierungen von Personen, wie Unternehmen, versuchen ein gleiches Ziel gegeneinander zu erreichen. Frei nach dem Motto „The Winner takes it all“.

Wenn es uns nicht möglich ist einen Sieg auf ganzer Linie zu erzielen, wollen wir wenigstens das größte Stück vom Kuchen ergattern. Wir wollen dem anderen das „Wasser abzugreifen“ – Unternehmen sprechen dann vom Marktanteil.

Die Metapher des „Wasserabgreifens“ kommt dabei nicht von ungefähr, denn wenn wir im Alltag von zwei Kompetitoren sprechen, meinen wir auch auch immer zwei Rivalen (Latein. rivalis: ,jemand, der an der Nutzung eines Bewässerungslaufes mitberechtigt ist‘). Ein harter Wettbewerbszustand ist also immer eine echte Rivalität. Der andere ist der Gegner, der Feind, die Konkurrenz.

Demgegenüber gibt es dann in unserem Verständnis die Kooperation (Latein. cooperatio: ‚Zusammenwirkung‘; ‚Mitwirkung‘). Von einer Kooperation spricht man, wenn sich Personen oder Gruppierungen zusammen schließen, um ein Ziel gemeinsam zu erreichen. Keiner von beiden ist der alleinige Gewinner, jedoch erhoffen sich beide einen Vorteil für die Zielerreichung und glauben, dass sie gemeinsam ein besseres Ergebnis erzielen können als im Alleingang.

Und im Kern akzeptieren wir das als Fakt:
Das Gegenteil von Kooperation ist die Kompetitivität.
Und Kompetitivität ist synonym mit Rivalität.

Im Wirtschaftsstudium lernen wir dann, dass diese zwei Situationen auch wie folgt bezeichnet werden:

  1. Win-Win-Situation: Kooperation
  2. Win-Loose-Situation: Kompetitivität

Wie so oft neigen wir dazu die Dinge schwarz-weiß zu sehen. Es gibt das Gute und das Böse und nichts dazwischen. Es gibt hell und dunkel und nichts dazwischen. Es gibt Kooperation und Kompetitivität und nichts dazwischen.

Aber wo passt da der „Sportsgeist“ rein? Wie kann ich nicht gewinnen und trotzdem nicht verlieren? Gibt es etwas dazwischen?

Kompetitivität und das „Dazwischen“

Bei meiner Recherche, was dahinter stecken könnte, bin ich dann auf etwas gestoßen, dass mich mich komplett überrascht hat.

Denn der Wortursprung von Kompetitivität (Latein. competere: ,zugleich anstreben‘/verlangen‘/begehren‘) beschreibt den Zustand, in der zwei oder mehreren Personen (Gruppen) ein Ziel gleichermaßen anstreben, eben einfach nur „zugleich“. Der Wunsch dieses Ziel zu erreichen ist bei beiden gleich stark ausgeprägt.

Sind zwei Personen kompetitiv, begehren sie ein Ziel gleich stark.

Das spannende ist, dass das ist auch in einer Kooperation der Fall ist: Alle streben das Ziel gleich stark an. Nur eben in der einen Situation nicht auf Kosten des anderen, sondern mit der anderen Person/Gruppe zusammen. Und auch in der Rivalität begehren beide das Ziel gleich stark, nur eben ohne Rücksicht auf den anderen.

Anstatt diese beiden Zustände als die einzigen Möglichkeiten zu betrachten (Schwarz-weiß-Denken), möchte ich vorschlagen sie als zwei Pole einer Skala zu betrachten:

Auf der einen Seite haben wir die „Kooperative Kompetitivität“ – beide Personen verfolgen miteinander das gemeinsame Ziel: WIN-WIN
Auf der anderen Seite gibt es die „Rivalitäre Kompetitivität“ – beide Personen verfolgen ihr gemeinsames Ziel gegeneinander: WIN-LOSE“

Und was ist jetzt in der Mitte? Wenn es nicht miteinander und gegeneinander ist, was ist es dann?

Die goldene Mitte der Kompetivität

Wenn ich mich im Sport kompetitiv verhalte, dann ist mein Gegner nicht mein Rivale oder mein Feind. Wir sind vielleicht gegeneinander, aber das spornt uns an, und es freut uns, wenn es den anderen anspornt.

Wieso es mich freut, wenn meine Leistung andere anspornt? Stell dir mal ein Fußballspiel vor, bei dem der Gegner mitten drin keine Lust mehr hat, weil der andere besser ist. Keiner hat daran Spaß, denn er bekommt den Sieg quasi geschenkt.

Gerade wenn es hart ist, dann macht es besonders viel Spaß. Und wenn wir trotzdem verlieren, dann haben wir zumindest alles versucht und können es beim nächsten Mal besser machen.

Und genau das ist der Unterschied zu „Win-Lose“. Es gibt kein echtes Verlieren, es gibt die Möglichkeit sich zu verbessern. Es gibt die Möglichkeit aus der Niederlage zu lernen.

Der Gewinn des anderen ist auch meine Chance mich in Zukunft zu verbessern

Wenn die Kooperation Win-Win und die Rivalität Win-Lose bedeutet, dann ist der Sportsgeist eine Win-Learn Situation.

Fazit

Egal in welcher Situation du dich befindest, versuche für dich herauszufinden, welches Ziel du gerade verfolgst. Gibt es einen Gegenüber und habt ihr ein gemeinsames Ziel? dann verhaltet euch kompetitiv! Dabei müsst ihr keine Rivalen sein. Versucht es gemeinsam zu erreichen. Wenn es nur einer von euch schaffen kann, nutze die Situation, um dich und deinen Gegenüber zu verbessern. Wenn ihr beide mit einer gesunden Portion Sportsgeist an die Situation herantretet, dann macht ihr eure gemeinsame Erfahrung zu einem gemeinsamen Lernerlebnis.