Konsens und Dissens

Meinungen, Ansichten, Anschauungen, Überzeugungen, Befindlichkeiten, Positionen, Urteile und Standpunkte. Jeder von uns hat unzählige und zu jedem Thema. In einigen Bereichen sind wir gut informiert, in anderen eben nicht. Aber ein Bild haben wir zu jedem Thema, dass uns bekannt ist. Nur manchmal unterscheiden sich die Schärfe und Tiefe.

Treffen Menschen aufeinander und sprechen über ein ihnen bekanntes Thema, dann treffen auch ebenso verschiedene Kenntnisse aufeinander. Gibt man den Personen genügend Zeit, werden sie all ihre Standpunkte miteinander vergleichen können. Und je komplexer das Thema, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass sie einander widersprechen werden.

Zumindest sollte das so sein.

Denn viel zu oft vermeiden wir die Auseinandersetzung. Und anstatt eine höhere Wahrheit anzustreben, geben wir uns mit einer vermeintlich passablen Lösung des Problems zufrieden. Aus These und Antithese wird eine Halbwahrheit. Dabei sollten durch den Diskurs These und Antithese in ihrer Wahrheit angezweifelt werden, um so zu einer Synthese zu kommen.

Jedoch sind wir so nicht erzogen. Autorität und Macht stehen höher als Wahrheit. Und so kommt es, dass jeder davon überzeugt ist, dass seine Meinung die absolute Wahrheit ist. Zwar gibt es kurz einen Dissens, jedoch wird zum Wohle des Machtgefüges ein Konsens, also eine Übereinstimmung der Meinungen, herbeigeführt.

Wir erzeugen Konsens viel zu oft und gleichzeitig erleben wir Dissens, also die Meinungsverschiedenheit, als großes Unwohl. Warum ist das so? Sollten wir nicht zu allererst davon ausgehen selbst falsch zu liegen? Davon, dass der andere recht haben könnte und mehr weiß? Täten das beide, würden sie einander zuhören und versuchen den Standpunkt des anderen zu verstehen. Sie würden länger nach dem Konsens suchen. Und wenn sie einen gefunden haben, auch diesen anzweifeln.

Denn das eigentliche Ziel sollte immer der Dissens sein, der Konsens ist eine fragile Etappe auf der Suche nach höherer Wahrheit. Wenn es sie überhaupt gibt.

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